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Über das Projekt der Online-Datenbank Pilgerzeichen.de

Pilgerzeichenforschung war von Beginn an ein Werk einzelner Enthusiasten. Wie schon ihr „Entdecker“, der französische Bilderrestaurator Arthur Forgeias (1822–1878), so haben auch die nachfolgenden Wissenschaftler und privaten Sammler, die sich diesen Zeichen zugewandt haben, häufig mit geringer institutioneller Anbindung agiert. Die kleinen unscheinbaren Objekte galten als zu wenig spektakulär, um im größeren Rahmen Beachtung zu finden.

Nicht anders erging es auch Kurt Köster (1912–1986), dem Nestor der europäischen Pilgerzeichenforschung, dessen jahrelange akribische Arbeit den Aufbau der Online-Datenbank Pilgerzeichen.de inspirierte und gleichzeitig ihren inhaltlichen Grundstock bildet.

Es waren besonders rheinländische, mitteldeutsche und skandinavische Glockengießer, die im Spätmittelalter begannen, Pilgerzeichen auf Glocken aufzugießen. Im Zweiten Weltkrieg hatte man in Deutschland infolge der durch den hohen Verbrauch der Kriegsindustrie knapp werdenden Rohstoffe Kirchenglocken zum Einschmelzen eingezogen. Um sie nach dem Krieg reproduzieren zu können, wurden sie genau dokumentiert, nicht nur Maße und Gewicht, sondern auch die Verzierung der Glocken wurde festgehalten. Ein Großteil dieser Dokumentation wird heute als Deutsches Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg bewahrt. Hier begann Kurt Köster, der spätere Generaldirektor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main, in den 1950er Jahren mit seinen intensiven Forschungen, die sich in bahnbrechenden Publikationen niederschlugen. Ihm gelang in langjähriger Arbeit neben der Zuordnung zahlreicher nicht identifizier Zeichen auch die bis dahin umfangreichste Katalogisierung von Pilgerzeichennachweisen. Es sind seine Erkenntnisse zur Verwendung und Herstellung der Zeichen und die große Zahl der Identifizierungen von zugehörigen Wallfahrtsorten, die Kurt Köster bis heute zu dem bedeutendsten Vertreter der europäischen Pilgerzeichenforschung machen.

Die etwa 6.600 Pilgerzeichennachweise, die er zusammengetragen hat, stammen vorrangig aus Deutschland, aber auch aus Frankreich, aus Großbritannien, aus den Beneluxstaaten und aus Skandinavien. Ein Drittel davon ist auf Glocken aufgegossen, die Hälfte des Gesamtvolumens ist als Originalzeichen überliefert, die übrigen sind auf Gemälden oder Ähnlichem abgebildet oder in Textquellen bezeugt. Diese Materialsammlung ist als Zettelkastenkartei im Deutschen Glockenarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg archiviert. Kurz vor Kurt Kösters Tod 1986 wurde seine handschriftliche Kartei im Rahmen eines DFG-Projektes unter der Leitung Wolfgang Brückners in eine maschinengeschriebene Karteikartensammlung umgesetzt. Trotz der immensen Fülle des Materials und der akribischen Systematik fristete die Pilgerzeichenkartei Kösters in den folgenden Jahren ein wenig beachtetes Dasein im Archiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg.

Dies begann sich erst 1999 zu ändern, als es zu ersten Kontakten zwischen dem mit dem Projekt bestens vertrauten Wolfgang Brückner, dem Campanologen Jörg Poettgen (Rheinisches Institut für Glockenkunde), dem Archäologen Andreas Haasis-Berner und dem Kirchenhistoriker Hartmut Kühne kam und die gemeinsame Idee diskutiert wurde, dieses Material einem breiteren Kreis zugänglich und damit allgemein benutzbar zu machen. In die Tat umgesetzt wurde das Vorhaben schließlich im Anschluss an ein 2001 von Hartmut Kühne im kleinen Kreis abgehaltenes Seminar des Lehrstuhls für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, als die ersten Karten der Pilgerzeichenkartei Kurt Köster in Nürnberg gescannt und die Daten in eine elektronische Datenbank aufgenommen wurden, die schließlich im Mai 2002 zunächst als „Testprojekt“ online ging. Verschiedene Anträge zur finanziellen Absicherung des Projektes blieben leider ohne Erfolg. Daher konnte die geplante Aufnahme der kompletten Pilgerzeichenkartei Kurt Köster damals nicht verwirklicht werden. In den folgenden Jahren wurden ungeachtet dessen, dass die Pilgerzeichendatenbank nach wie vor ein „No-Budget-Projekt“ war, zahlreiche Pilgerzeichennachweise aus der Sekundärliteratur – zunächst vor allem aus dem mitteldeutschen Raum – eingepflegt. Im Laufe der Zeit erfolgte, um dem Charakter des spätmittelalterlichen Wallfahrtswesens als eines der wichtigsten Kommunikationsnetze im abendländischen Kulturraum gerecht zu werden, die Ausweitung des Erfassungsraums auf ganz Europa.

Im Gegensatz zur mangelnden finanziellen Ausstattung des Projektes erwies sich das Echo der immer zahlreicher werdenden Benutzer der Datenbank als durchweg positiv. So kam es zu fruchtbaren Kontakten mit unterschiedlichen Vertretern der Geschichts- und Kulturwissenschaften, aber auch mit einer Vielzahl interessierter Laien und es entstanden in nächsten Jahren zahlreiche Sekundärprojekte und Kooperationen, die nicht nur das Thema Pilgerzeichen im Speziellen, sondern auch das spätmittelalterliche Wallfahrtswesen im Allgemeinen zum Gegenstand hatten (zur Chronologie der wichtigsten Projekte siehe unten).
Zu den zahlreichen Kooperationspartnern gehören u. a. der kunstgeschichtliche Lehrstuhl von Jos Koldeweij an der Faculteit der Letteren der Radboud Unviversiteit Nijmwegen mit dem Datenbankprojekt Kunera (http://www.let.ru.nl/ckd/kunera/), das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin, das Uměleckoprůmyslové museum v Praze (Kunstgewerbemuseum Prag), das Centrum medievistických studií Praha (Centre for Medieval Studies Prag), das Rheinische Institut für Glockenkunde in Overath sowie zahlreiche weitere Museen und Einzelpersonen vor allem in Deutschland, Polen und Tschechien.

Mit der Schließung des Lehrstuhls für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im April 2007, an den die Pilgerzeichendatenbank institutionell angebunden war, wurde es notwendig, eine neue Heimat für das Projekt zu finden. Die Datenbank befand sich auf einem Server der Humboldt-Universität und es war absehbar, dass über kurz oder lang der Speicherplatz wohl anderen, universitäts-internen Projekten zufallen würde. Viel schwerer wog aber, dass wegen technischer Probleme seit dem Jahre 2008 nicht mehr an der Datenbank gearbeitet werden konnte. Dem Projekt drohte das Ende.

In dieser Situation kam von der Seite des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ein erfreuliches Kooperationsangebot. In gemeinsamer Arbeit mit dem Kunstgewerbemuseum war bereits zuvor die dort befindliche Pilgerzeichensammlung aufgearbeitet und ausgestellt worden. Lothar Lambacher, Hauptkustos der Mittelalterabteilung und Stellvertretender Direktor des Museum schlug vor, die Pilgerzeichendatenbank fortan unter die Schirmherrschaft des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin zu stellen. Dank einer durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geförderten Aktualisierung der Web-Präsenz der Datenbank, die in ihrem Erscheinungsbild und in ihrer Funktionalität nach acht Jahren einer intensiven Überholung bedurfte, steht die Pilgerzeichendatenbank seit Ende 2010 als wissenschaftliches Internetwerkzeug wieder zu Verfügung.

Verbundene Projekte
 

2002Tagung „Spätmittelalterliche Wallfahrt im mitteldeutschen Raum“ am 7./ 8. Juni 2002 in Eisleben in Kooperation mit der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt und dem Institut für Geschichte und Kunstgeschichte der Technischen Universität Berlin.
2004Beteiligung an der Konzeption und Durchführung der Tagung „Pilgrimages in European Culture / Wallfahrten in der Europäischen Kultur” vom 26. bis 29. Mai 2004 in Príbram (Tschechische Republik) gemeinsam mit dem Zentrum für mediävistische Studien der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, dem Ethnologischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, dem Lehrstuhl für historische Hilfswissenschaften und Archivstudien an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag und dem Staatlichen Regionalarchiv in Prag – Staatsbezirksarchiv in Pribram.
Tagungsband: Pilgrimages in European Culture / Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. von Daniel Doležal u. Hartmut Kühne (Europäische Wallfahrtsstudien 1), Frankfurt am Main u. a. 2006.
 Bearbeitung der Pilgerzeichensammlung des Kulturhistorischen Museums Prenzlau.
Katalog: Carina Brumme, Hartmut Kühne: Der Pilgerzeichenfund am Kloster Seehausen und sein historischer Kontext, mit einem Katalog des Seehausener Fundes, in: Sachkultur und religiöse Praxis, hg. von Dirk Schuhmann (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser, Bd. 8), 2007, S. 406–457.
2005Organisation und Durchführung der Tagung: „Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spätmittelalter“ vom 24. bis 26. Juni 2005 in Bad Wilsnack.
Tagungsband: Die Wilsnackfahrt. Ein Wallfahrts- und Kommunikationszentrum Nord- und Mitteleuropas im Spätmittelalter, hg. von Felix Escher u. Hartmut Kühne (Europäische Wallfahrtsstudien 2), Frankfurt am Main u. a. 2006.
 Konzeption und Umsetzung der Dauerausstellung in der Wilsnacker ‚Wunderblutkirche’ in Zusammenarbeit mit dem Wilsnacker Wunderblutverein e.V.
Publikation: Von Berlin nach Wilsnack. Ein kulturhistorischer Begleiter zu den Stationen einer vergessenen Wallfahrt, hg. vom Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V. und Lehrstuhl für christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, 2005.
 Organisation und Durchführung der Tagung „Wallfahrt und Reformation“ vom 29. September – 2. Oktober 2005 in Heilbad Heiligenstadt in Kooperation mit dem Institut für Historische Hilfswissenschaften der Karlsuniversität Prag, dem Eichsfeldforum und dem Stadtarchiv Heilbad Heiligenstadt.
Tagungsband: Wallfahrt und Reformation – Pout’ a reformace. Zur Veränderung religiöser Praxis in Deutschland und Böhmen in den Umbrüchen der Frühen Neuzeit, hg. von Jan Hrdina, Hartmut Kühne u. Thomas T. Müller (Europäische Wallfahrtsstudien 3), Frankfurt am Main u. a. 2007.
2004-2006Bearbeitung der Pilgerzeichensammlung im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin. Präsentation der Ergebnisse in der Ausstellung „Das Zeichen am Hut, Europäische Reisemarkierungen“ im Kunstgewerbemuseum von November 2006 bis September 2007, zu deren Eröffnung am 24./25. November 2006 ein internationales „Symposion in memoriam Kurt Köster“ stattfand.
Katalog und Tagungsband: Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen, hg. von Hartmut Kühne, Lothar Lambacher u. Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4), Frankfurt am Main u. a. 2008.
2006Begründung der Publikationsreihe „Europäische Wallfahrtsstudien“, hg. von Hartmut Kühne, Jan Hrdina u. Thomas T. Müller, im Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main u. a.
2010Bearbeitung der Pilgerzeichensammlung des Uměleckoprůmyslové museum v  Praze (Kunstgewerbemuseum Prag) und des Národní muzeum (Nationalmuseum Prag); gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung.
 Organisation und Durchführung der Tagung „Medieval Pilgrim Badges. Prospects of European Research – Perspektiven der Europäischen Pilgerzeichenforschung“ vom 21. –24. April 2010 in Prag (Villa Lanna) in Kooperation des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin mit dem Uměleckoprůmyslové museum v Praze (Kunstgewerbemuseum Prag), Centrum medievistických studií Praha (Centre for Medieval Studies Prag) und der Faculteit der Letteren der Radboud Universiteit Nijmegen; gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung.
Tagungsbericht: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/...